Bänke


Haben sie sich auch schon gefragt, wozu auf den Vereinsplätzen so viele Bänke stehen? Zum Sitzen jedenfalls nicht, denn spätestens fünf Minuten nach Erscheinen der ersten Akteure sind alle vorgeblichen Sitzflächen gerammelt voll mit Utensilien, die der Boulist halt so zu brauchen meint. Da reiht sich Bouletasche an Regenjacke, verfilzen sich Rucksack und Tragekorb, um sich mit Ersatzlappen, Obst und Keksvorräten zu unentwirrbaren Bündeln von Krempel und "Pieselotten"[1] zu verknäulen. Mag sein, es handelt sich hierbei um archaische Gebräuche mit denen eine jede "Trullertruppe"[2] versucht, ihr Revier abzustecken, ähnlich dem frühmorgendlichen Handtuchauslegen im Spanienurlaub. Oder ist es Ausdruck offensiv zur Schau getragener Virilität, mit der manch bedenklich gebrechlicher Gevatter das Angebot der Gastgeber brüsk von sich weist, sich doch hin und wieder mal ein Sitzpäuschen zu gönnen, wenn sich die Partie durch Messmarathon, Abschreitorgien und Markierexzesse einmal mehr endlos hinzieht?

 

Anfangs hatte ich mir nicht vorstellen können, eine so überschaubare Zahl von Kugelsportlern könne solche Gepäckmengen mit sich führen, sodass ich der irrigen Vermutung verfiel, das ausliegende Sammelsurium bestünde zu erheblichen Teilen aus vergessenem Zeugs, das einfach liegen geblieben war. Das konsequente Ausharren bis zum bitteren Ende belehrte mich jedoch eines Besseren. Die nehmen den gesamten "Klumpatsch" wieder mit[3].

 

Die Hersteller meist bedenklich labilen und unglaublich unbequemen Campinggestühls jedenfalls freut es, denn zu dem ganzen angeschleppten Gelumpe trägt das Völkchen der Kugeljünger faltbare Sitzgelegenheiten in unvorstellbaren Mengen aufs Boulodrome „damit man sich in den Pausen auch einmal ausruhen kann“. Das verstehe, wer will: Nicht nur, weil Pausen beim Boule ohnehin nicht vorkommen, denn man spielt immer entweder die längste Partie der Runde, wirft sich schon für die nächste Begegnung ein oder macht noch ein letztes Spiel "zum Spaß!!!".

Besser erklärt sich das Phänomen durch jene strikt gelebte Pflicht zum Laisser-faire, dem dieser frankophile Menschenschlag mit eiserner Strenge nachgeht. Die Dinge einfach dafür zu verwenden, wozu sie ursprünglich vorgesehen waren? Der Gipfel des Spießertums! Wo kämen wir da hin? Wie soll das enden? 

 

Die Schlacht jedenfalls, zwischen Bankbauern und Sitzverächtern ist lange entschieden. Eine Zeit lang müssen erstere, in blinder Verkennung boulistischer Mentalitäten, noch gegen ihre Niederlage "angeschreinert" haben, denn nur so ist die häufig absurd hohe Bankdichte auf Bouleplätzen überhaupt zu erklären. Den gedankenlosen Gepäckvandalismus wollten sie in einer Flut von Sitzmöbeln ertränken. Doch wie sehr sie das "Ameublement" ihrer Refugien auch aufstockten, es reichte nie aus, der Utensilienschwemme Herr zu werden. So hat man sich einfach damit abzufinden: Während der Partie wird eisern gestanden, denn schließlich: Extremsport Pétanque.

 

Thorsten


[1] Pieselotten: Ostwestfälischer mundartlicher Begriff, der Kleidung und Klamotten bezeichnet und auch in Braunschweig geläufig ist.

[2] Trullern: In Braunschweig mundartlicher Begriff für rollen.

[3] Klumpatsch: Salopp abwertend für Menge, Haufen, wertloses Zeug, unerquickliche Dinge.