Strategeme für das Pétanque

- 6 typische Spielsituationen -


 

 

 

 

Die Beschäftigung mit den Strategemen brachte die Anregung, spezielle Strategeme für das Pétanque zu ersinnen - das Verfahren also zu importieren. Einerseits eine Spielerei, ist es andererseits nützlich, wenn typische Spielsituationen herauspräpariert und mit jeweils einem prägnanten Satz benannt werden können.

 

1. Die Kaninchen erschießen und den Salat retten

Die Kaninchen dringen in unseren Garten ein und fressen das Gemüse. Zum Glück sind es nicht viele und wir können sie einfach erschießen.

In dieser Spielsituation legen wir meist besser als der Gegner es vermag. Wenige seiner gut gelegten Kugeln rauben uns aber die Früchte unserer Arbeit. Können wir sie entfernen, wird alles gut. Ob geerntet wird, liegt also beim Jäger (Schützen), nicht beim Gärtner (Leger). Bleibt die Ernte aus, lohnt sich ein Positionstausch innerhalb der Mannschaft, der einem treffsicheren Schützen die Flinte in die Hand gibt.

 

2. Einen Zaun für die Kaninchen bauen

Die Kaninchen wollen unseren Garten kahlfressen. Wir können sie nicht alle erlegen, denn es sind einfach zu viele. Wir brauchen einen Zaun, der sie dauerhaft fernhält.

Wir benötigen "Devantkugeln", also solche, die den Weg zum Ziel versperren. Diese fungieren als Zaun und hindern den Gegner daran, ständig besser zu legen, als wir es vermögen. Legen hat also Priorität. Mit einem guten "Zaun" kann man auf die wenigen Kugeln schießen, die durchkommen. Ob geerntet werden kann, liegt beim Gärtner (Leger), der eine Barriere errichten muss, nicht beim Jäger (Schützen). Läuft es nicht rund, so muss durch Rotation ein guter Leger gefunden werden.

 

3. Mit Schüssen den Himmel fegen

Jetzt sind es Schwärme von Vögeln, die uns die Beeren aus dem Garten stehlen. Wieder legen wir auf sie an. Vögel sind jedoch schreckhafte Tiere. Gleichgültig ob wir treffen, mit jedem Knall verschrecken wir den ganzen Schwarm.

Hier geht es darum, ein Spiel durch die Tireurfähigkeit zu dominieren. Gute Schützen erzielen ihre Wirkung nicht nur durch die Kugeln, die sie beseitigen, sondern auch durch den Eindruck, den sie beim Gegner hinterlassen. Hohe Trefferraten führen bei manchen Gegnern dazu, dass sie beeindruckt sind und die Lockerheit verlieren. Wenn so der ganze "Schwarm" flüchtet, dominiert der Schütze durch schiere Präsenz. Weiterhin kann sich ein treffender Schütze sagen, dass die angegriffene Kugel zumindest keinen Punkt mehr erzielen wird (Reduzieren). Das wird beispielsweise besonders wichtig, wenn dadurch dem Gegner die Möglichkeit genommen wird, den 13. Punkt zu erzielen. Es gibt also durchaus Situationen, in denen man besser auf alles schießt, was sich zeigt und nicht erst wartet, bis selbst eine gute Kugel gelegt wurde. Dieses Vorgehen ist schwierig und macht angreifbar, denn schließlich kann man "im Himmel keine Festungen bauen". Es ist aber das Spiel nach Art der Profis.

 

4. Mit einem Pfeil in den Wald gehen und den Hirsch erlegen

Jetzt geht es darum, keine Kugel zu verschwenden. Der Hirsch wird sich im Wald nur einmal zeigen. Wird er scheu, dann sehen wir ihn nicht wieder. Der Schütze muss sich sicher sein, dass er eine lohnende Beute anvisiert.

Spielt der Gegner gut und begeht kaum Fehler, ist er zudem erfahren und nicht zu beeindrucken, muss man geduldig auf den rechten Moment warten. Wenn er kommt, muss man zupacken, denn es ist nur dieser eine "Pfeil" im Köcher. Manchmal ist der Schütze der beste Leger seiner Mannschaft, die dringend darauf angewiesen ist, dass dieser immer wieder aushilft. Das sind die Situationen, in denen es jeden Schuss gründlich zu wägen gilt.

 

5. Den Dieben das Porzellan auf die Treppe stellen

Das, was die Diebe begehren, geben wir scheinbar freiwillig preis. Schleichen sie nächtens auf der Treppe, verrät sie das Geklirr.

Der Leger lässt bewusst dem Gegner eine Chance, indem er zwar devant - aber nicht zwingend - legt, oder indem er einen Bastard spielt. Er vertraut darauf, dass der Gegner die Kugel nicht häufig genug verbessern kann, um den Punkt auch zu behalten. Er wird hängenbleiben oder den Bastard nicht verbessern können oder unserem Schützen zum Opfer fallen. Indem man dem Kontrahenten bewusst eine Möglichkeit anbietet, beweist man den Mitspielern sein Vertrauen. Diese müssen das beste aus der guten Situation machen, die dadurch entsteht, dass ein Leger absichtlich darauf verzichtet, eine zwingende Kugel zu produzieren.

 

6. Den Attentäter in die Festung schleusen

Wo keine Aussicht besteht, die Schlacht zu gewinnen, muss ein Attentäter in die Festung schleichen und den feindlichen General ausschalten. Ein Spieler muss zwingend handeln, weil die Mitspieler keinen Erfolg haben.

Harmoniert die Mannschaft nicht, oder sind die Mitspieler einfach indisponiert, bringt das Schaffen einer guten Situation wenig. Man muss dann allein zwingend handeln und versuchen, damit durchzukommen. Das kann bedeuten, eine Kugel so "in den Punkt" zu legen, dass sie der Gegner nicht beseitigen kann; in hoffnungsloser Lage das Cochonnet zu verschieben oder beherzt zu schießen und auf Carreaux zu hoffen. Wenn die anderen es nicht können, tue es selbst!

 

Zugegeben, die Bilder sind blumig, die Situationen trivial. Ist man aber wirklich immer entscheidungssicher wenn es gilt, eine Mannschaft umzubauen (Strategem 1 & 2)? Oft wird zu lange gewartet und der rechte Moment versäumt. Weiß man wirklich immer genau, ob im Spiel Legen oder Schießen den Vorzug erhalten sollte (Strategem 3 & 4)? Ist wirklich immer klar, ob es besser ist, auf "Bild" oder auf "Punkt" zu spielen (Strategem 5 & 6)?

 

Ist ein Bild nicht einprägsamer als seine Beschreibung? Ist ein Bild, das jedem Spieler geläufig ist, nicht als Chiffre leichter zu kommunizieren? Fragen, die sich jeder Spieler selbst beantworten muss.

 

"Der Mensch, das Augenwesen, braucht das Bild."

Leonardo da Vinci

 

 

 

Thorsten

 


 

Erklärung: Durch die hier unternommenen Gedankenexperimente kamen weder Tiere noch reale Personen zu Schaden.


Bild von Gino Crescoli auf Pixabay