Raketenwissenschaft


Mein Markthändler kann wirklich schimpfen wie ein Rohrspatz. Meist sind es Politiker oder Wissenschaftler, denen er die Fehler aufzeigt. Dann erklärt er, wie man beispielsweise die Düngeverordnung viel schlauer hätte regeln können, würde man nur mal auf den kleinen Mann hören. „Ist doch keine Raketenwissenschaft“, endet er schnell jeden seiner Vorträge, denn der nächste Kunde wartet schon.

 

„Raketenwissenschaft“, das stammt aus Zeiten, als der „kleine Mann“ voll Bewunderung sah, dass die komplizierten und teuren Geschosse eben doch nicht mehrheitlich im Meer vor Miami Beach landen, sondern zum Mond fliegen. Fein hatten die das hinbekommen, die „Raketenwissenschaftler“.

 

Ich stehe in der Warteschlange. Wir leben in anderen Zeiten. Zwei Meter Abstand zur Vorderfrau, zwei Meter Abstand zum Hintermann. Ich erinnere mich gut daran, dass man auch mal richtig Angst davor bekommen hatte, was die Raketenwissenschaftler so alles treiben. Beispielsweise, dass die einen Haufen Russen mit Farbe zum Mond raufschicken könnten, die ihn rot anstreichen. „Und wenn schon?“, hätte man früher gesagt, „schreiben wir halt eben Coca Cola drauf“. Dann hatte man aber doch begonnen, sich zu fürchten, weil es auch Raketen mit Knalleffekt gab.

 

Während ich warte, habe ich eine Schreckensvision: ABC-Alarm - feuchte Aussprache. Bin ich in Reichweite? Aus der Händlerkehle starten schon die ballistischen Flugkörper. An Bord Captain Corona oder Sprengköpfe der COVID-Baureihe. Mir beschlägt die Brille über der Schutzmaske. Warum hat der Rohrspatz eigentlich keine auf? Ist doch wirklich keine Raketenwissenschaft.

 

Thorsten


Bild von Willfried Wende auf Pixabay