Drall 1


- Grundlagen -


In ihren Anfängen wählen Boulespieler meist eine Technik, bei der die Kugel einfach über den Boden rollt. Erst später entdecken sie den Drall für sich. Dessen Effekte sind jedoch nicht leicht zu durchschauen. Mit Sicherheit erfordert es Sorgfalt, sollen sie zum Guten wirken.  

 

 

Was ist Drall?

Wirft man eine Kugel, ohne sie an den Fingern abrollen zu lassen, wird vermieden, dass sie im Flug rotiert. Rollt die Kugel beim Öffnen der Hand hingegen an den Fingern ab, so erfährt sie hierdurch einen Drehimpuls. Dieses Kreiseln um die eigene Achse – genannt "Drall" – hat einen großen Einfluss auf das Wurfergebnis. Erfolgt diese Rotation nicht genau entgegen der Wurfrichtung, spricht man von Effet. Die Rotation einer Kugel lässt sich verstärken, indem zusätzlich eine Drehbewegung des Handgelenkes unternommen wird.


Tipp: Beim beabsichtigten Geradeauslauf einer Kugel sollen die Finger beim Öffnen der Hand einander berühren und der Handrücken stets nach oben weisen. Gespreizte Finger und eine seitwärts sich neigende Hand erzeugen ungewollte Drehbewegungen der Kugel. Deren Drehachse liegt dann nicht waagerecht, sondern ist seitlich geneigt – eine häufige Fehlerquelle.


Es gibt also drei Arten, eine Kugel auf ihren Weg zu bringen:

 

1.  Ohne Drall

2.  Mit "passivem Drall"

Resultierend allein aus der Armbewegung und dem "Entlangrollen" der Kugel an den Fingern beim öffnen der Hand. Bei einer runden und harmonischen Wurfbewegung entsteht "passiver Drall" von ganz allein.

3. Mit "aktivem Drall" 

Wird durch eine Drehung des Handgelenks zusätzlich erzeugt.  


Welche Effekte sind vom Drall zu erwarten?

  

1. Der Bremseffekt:

Eine entgegen der Wurfrichtung rotierende Kugel wird zusätzlich gebremst. Sie arbeitet ihre Rotationsenergie am Boden ab, bis sie in ihre Rollphase übergeht. Rückdrall ermöglicht somit durch schnelleres Abbremsen der Kugel das Anspielen von Données, die näher am Ziel liegen. Kugeln können mit höherer Anfangsgeschwindigkeit gespielt werden, was harmonischere Bewegungen ermöglicht.  

 

2. Der Stoppeffekt:

Eine Kugel, die ohne Rückdrall auf eine andere Kugel trifft, gibt günstigstenfalls ihre gesamte Energie an diese ab, könnte also an der Kollisionsstelle liegenbleiben. So sie aber zuvor über den Boden gerollt ist, erfährt sie hierdurch einen vorwärtsgerichteten Drehimpuls. Dieser wird nicht auf die andere Kugel übertragen. Durch diese Tatsache haben vorwärts rollende Kugeln die Neigung, nach einer Kollision weiterzurollen. Kugeln mit Rückdrall bleiben hingegen liegen oder laufen sogar zurück - was weniger beim Legen eine Rolle spielt, beim Schießen jedoch von großer Bedeutung ist. Die Schussarten "Carreau" und "Retro" werden durch Rückdrall begünstigt.

 

3. Der Kurvenlauf

Eine Kugel, deren Drall nicht exakt entgegengesetzt der Wurfrichtung verläuft, beschreibt nach Bodenkontakt eine Kurve. Diese kann kaum merklich oder sehr ausgeprägt sein. Im letzteren Falle ist eine komplexe Bewegung des Handgelenkes erforderlich. Durch diesen Effekt können Hindernisse umspielt werden. Dieses Phänomen wird in "Drall IV: Effet" wieder aufgegriffen. 

 

4. Erschwerte Vorhersagbarkeit der Kugelwege

Drall kann dazu führen, dass Kugelwege schwerer berechnet werden können. Die Physik kreiselnder Kugeln kann kompliziert werden und das menschliche Vorstellungsvermögen überfordern. Insbesondere sorgt seitlich sich neigender Untergrund immer wieder für unangenehme Überraschungen.


Faustregel: Spiele mit Drall, damit deine Kugel nicht so weit rollt! Halte beim Werfen die Drehachse Deiner rotierenden Kugel strikt waagerecht, damit diese nach Bodenkontakt nicht seitlich abweicht!  


Wer Drall als nützliches Nebenprodukt seines Werfens ansieht, kann sich auf das Wesentliche konzentrieren - also Donnée, Richtung und Abwurfwinkel. Wer den Drall hingegen zum Hauptziel erhebt, verkennt die Prioritäten.

 

 

Thorsten 


Anmerkung: In einer bisherigen Version des Artikels wurde behauptet, es ließe sich aus den Gesetzmäßigkeiten, denen Kreisel unterliegen, ein zusätzlicher Bremseffekt ableiten. Dem ist nicht so, wovon mich der Leser Wolfgang Fischer aus Wiesbaden überzeugen konnte, dem ich für die geduldige Beratung bei der Neufassung des Textes großen Dank schulde.

 

Die Begründung im Wortlaut:

"Unser Boulekreisel ist dagegen ein sich frei im Raum bewegender Körper mit einer richtungskonstanten horizontalen Rotationsachse. Die Gravitation beeinflusst zwar die vertikale Stellung der Kugel im Raum, aber es gibt keine weitere äußere Einwirkung, die den Flug der Kugel in irgendeiner Weise ablenkt. Das Gesagte gilt einschließlich des Treffpunktes auf dem Boden, denn der liegt genau unter dem Schwerpunkt der Kugel und daher findet auch hier keine irgendwie geartete Ablenkung statt. Insbesondere dreht sich die Kugel in diesem Moment noch mit der Anfangs mitgegebenen Rotationsgeschwindigkeit."

 

Der Autor des Boulelexikons möchte anmerken, dass alle bisher gezogenen Schlüsse, was die zu praktizierende Spielweise anbelangt, weiterhin Gültigkeit besitzen, da ein Bremseffekt ja zweifellos besteht. Dieser wurde lediglich teils falsch hergeleitet.

Im Zuge einer vorgenommenen Vereinfachung des Artikels wurde darauf verzichtet, auf das Thema "Stabilisierung durch kreiseln" einzugehen. Die oben beschriebenen Effekte dürften die bei Würfen beobachtbaren Phänomene hinreichend erklären. 


Bemerkung:

Dieser Artikel findet seine Fortsetzung in: Drall II - Anwendung 


Bild von Huy Nguyen van auf Pixabay