Wohin mit dem Blick?


 

Nicht was wir sehen, wohl aber wie wir sehen,

bestimmt den Wert des Gesehenen.

Blaise Pascal


Es ist ganz natürlich, dass ein Mensch seinen Blick auf die Bereiche richtet, wo die "Action" stattfindet. Bewegungen ziehen den Blick auf sich, ebenso bunte Farben. Anfänger fixieren daher gerne das Schweinchen und werfen dann ihre Kugeln irgendwie in dessen Richtung. Gern werden auch die Kugeln beobachtet, wie sie über den Platz rollen. Kontrolle über die eigene Blickrichtung zu haben, die richtigen Dinge zu fokussieren, das zeichnet den erfahrenen Spieler aus und ermöglicht erst ein konzentriertes Werfen.

 

Pétanque / Boule - Tipps & Tricks - Wohin mit dem Blick? - Taktik / Boulelexikon
Donnée bei Nacht - Unwichtiges verschwindet

Es gibt nur einen Punkt, der für den Spieler im Kreis von Interesse ist - sein Ziel. Für den Leger ist das sein erwähltes Donnée; für den Schützen ist es die zu entfernende Kugel. Alles andere sollte möglichst ausgeblendet werden. Für einen hochkonzentrierten Werfer existiert nur dieses Ziel und sonst absolut nichts. Es ist daher nur folgerichtig, das Auge genau darauf zu richten und den Blick nicht abschweifen zu lassen, bis der Wurf beendet ist.

 

Am augenfälligsten wird das Abschweifen des Blickes bei sehr hohen Hochporteéwürfen. Dabei ist zunächst jeder versucht, die Kugel, die vollkommen aus dem Gesichtsfeld verschwindet, mit den Augen zu verfolgen. Aber auch hier - ebenso wie bei allen anderen Würfen - gilt es, diesen Reflex zugunsten der eigenen Konzentration zu überwinden.

 

Wenn wir nach einer Flasche greifen, dann müssen wir nicht unsere Hand dabei beobachten und kontrollieren, ob sie ihr Ziel erreicht. Wir fokussieren die Flasche und ergreifen sie auf vollkommen natürliche Weise. Genau diese Natürlichkeit streben wir auch im Umgang mit unseren Kugeln an. Letztlich sollen sie zu einem unserer Körperteile werden. Wir können sie dann jederzeit erspüren, auch wenn wir sie weder halten noch sehen.

 

Thorsten


Ergänzung - Das "Quiet-Eye-Phänomen": Seit 1996 ist ein Mechanismus bekannt, der den Blick (gemeint ist dessen Richtung und Dauer) mit dem Ergebnis von Handlungen in Beziehung beringt. Gemeint sind Handlungen, die etwa von Sportlern, Chirurgen oder Polizisten (im Schießtraining), ausgeführt werden und sämtlich eine hohe Präzision zum Ziel haben. Kurz gesagt kann man zeigen, dass Experten in einem solchen Metier etwas mehr Zeit auf die Fixation verwenden, bevor sie eine Handlung ausführen, als es Laien tun. Ebenso gilt, dass Menschen zu besseren Ergebnissen kommen, denen man beibringt, vor dem Handeln ähnlich lange und genau zu schauen, wie es Experten zur Gewohnheit geworden ist. Man nimmt an, dass beim finalen Blick - beispielsweise der eines Basketballers, der beim Freiwurf einen Korb erzielen möchte - im Gehirn wesentliche Verschaltungsprozesse stattfinden, die freilich etwas Zeit benötigen. Erst wenn diese abgeschlossen sind, ist ein Wurf in Vollendung möglich. Diese Verschaltung geschieht automatisch, ohne weiteres Zutun des Athleten. Dieser hat lediglich sein Ziel lang genug zu fixieren, wobei dieses "lang genug", schaut man genauer hin, auch recht kurz ausfällt.  

 Zum Thema "Ruhendes Auge (Quiet Eye)" lassen sich ohne weiteres Artikel und Studien in großer Zahl finden. Aus dem umfangreichen Inhalt greife ich nur das Folgende heraus und überlasse es dem Leser, sich tiefer in die Materie einzuarbeiten:  

 

- Die Forschung zum Thema ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Insbesondere besteht noch einige Unklarheit über die genauen Wirkmechanismen und Prozesse, die im Gehirn stattfinden.

- Gleichwohl ist umfänglich erwiesen, dass es sich bei "Quiet Eye" um einen relevanten Faktor handelt, der die Güte von Würfen zu beeinflussen vermag.

- Quiet Eye lässt sich trainieren. Das haben Studien ergeben, bei denen Sportler jeweils von Wissenschaftlern in spezieller Weise angeleitet worden sind. Wie konkret es dem Laien in Eigeninitiative möglich sein mag, in diesem Metier zu Verbesserungen zu gelangen, vermag ich nicht zu sagen. Dass es möglich sein muss, liegt freilich auf der Hand, denn offensichtlich haben all jene, die in den genannten Bereichen herausragendes leisten, einen Weg gefunden, sich die Technik des "Quiet Eye" nutzbar zu machen.

 

Gewiss ist es kein Fehler, sich vor dem Wurf auf das Ziel zu fokussieren, den Blick nicht noch kurz vor der Ausführung abschweifen zu lassen und dem Gehirn durch das Ruhenlassen des Blickes die Chance zu geben, sich zu sortieren. Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass ich an Tagen, an denen ich beim Schießen viele Treffer erziele, beim Blicken auf das Ziel plötzlich das Gefühl habe, als ahne ich den Treffer bereits voraus, der sich dann auch meist einstellt. An schlechten Tagen gelingt es mir hingegen nicht, diese "spezielle Beziehung" zwischen Auge und Ziel aufzubauen. Ich denke mithin, dass es sich lohnen kann, diesem Teil der Konzentrationsphase besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn wir haben mit unserem Blick ein Instrument, das vielleicht nur in besonderer Weise gehandhabt werden muss. Auch hier zeigt sich, was schon an anderer Stelle hervortrat: Präzison kann auch bewirkt werden, indem man sie einfach zulässt. Einen ersten Überblick bietet:  https://pentathlonsite.wordpress.com/2018/11/24/mit-ruhigem-auge-bedeutung-des-quiet-eyes-qe-fuer-das-laser-run-training/


Bild: Donnée auf einem Feldweg nahe Groß Schwülper