Sprüche


 

Die verbale Lautäußerung hat im Pétanque einen zwiespältigen Leumund. Dem einen ist sie gedankenlose Störung, dem anderen bewusstes Foul; manchem dient sie der Druckentlastung, anderen der Auflockerung einer allzu düsteren Atmosphäre. Mag man sie hassen oder lieben, irgendwie sind sie immer ein Teil des Spiels - die Sprüche.

 

Es spricht einiges dafür, dass all das enthusiastische Kugelschleudern, dem wir so leidenschaftlich frönen, von einer kulinarischen Extravaganz unserer Vorfahren herrührt, nämlich der Vorliebe für saftige Steaks - eine Pétanquepartie können wir uns auch als ritualisierte Jagd denken. Schwer vorstellbar allerdings, dass der Frühmensch als pirschender Primat plappernd und bramabasierend durch Steppe und Pampa gestreift sein soll. Keiler und Hirsch hätten es ihm gedankt. Nach geglückter Meuchelung der Mitgeschöpfe ergab sich - man ist ja Mensch - dann aber sicher einiger Gesprächsbedarf. Das eigene Zutun zum Jagderfolg hervorzuheben; des anderen Beitrag ins rechte Licht zu setzen - also zu schmälern - dafür war nun Zeit und Stunde.

 

So steht also zu vermuten, es könne die Ernsthaftigkeit ihres Tuns der Spieler Zungen hemmen oder lösen. Tatsächlich, bei Turnieren ist der "Schnack" im Spiel ein seltener Gast. Doch scheint dies weniger dem strengen Reglement geschuldet, denn dem Umstande, dass umschichtig je ein Team mit Kinnmuskelspannen, das andere mit Zähneknirschen beschäftigt ist.

 

Wenn Theodor Fontane im "Stechlin" den alten Baron sich dabei ertappen lässt, einen der "alten Wiener Kongresswitze" zum Besten zu geben, so kommt dem Boulespieler diese Szene seltsam vertraut vor, denn seinerzeit lag der Kongress bereits gut 80 Jahre zurück und auch wir haben häufig Anlass zu der Vermutung, der Schöpfer manch vertrauter Sentenz höre sich schon des Längeren das Rollen der Kugeln von "unten" an, sei also zur "horizontalen Daseinsform" bereits endgültig eingekehrt.

Mag manch Einlassung auch inhaltlich eher an Skatsprüche denn an die "Sprüche Salomons" erinnern, was das Alter der Reden anbelangt, werden diese oft locker überboten.

 

So mahnt uns dies zu sorgsamem Gebrauch,

nicht nur der Kugeln, sondern auch der Zungen,

und das nicht bloß, weil Sprüche - obschon des Spieles Würze -

wie alle Spezerei, im Übermaß genossen, die Lust daran verderben.

Bonmots - prägnant gewirkt - vermögen uns zu überdauern,

und leicht geschiehts in diesen Dingen

- weil sich der Mensch doch lieber borgt und nimmt,

denn Eignes zu ersinnen -

dass unsren Spruch noch dann jemand im Munde führt,

wenn wir schon lang die letzte Kugel rollen ließen.

 

 

Thorsten


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