Boule ermöglicht in wunderbarer Weise das Zusammenspiel von erfahrenen und unerfahrenen Spielern. Gewöhnlich lässt der versierte Spieler den Anfänger zunächst seine Kugeln spielen - also meist legen - und sieht dann, was er aus der Situation machen kann. Dieser Umstand führt oft zu der Ansicht, es gäbe grundsätzlich eine Hierarchie, die vom Leger zum Schützen ansteigt. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Irrglauben. Das Wesen des Spieles wird durch solche Dünkel vollkommen verfehlt. Ein guter Leger kann ein Spiel gegebenenfalls allein gewinnen. Eine Mannschaft kann einen schlechten Schützen durchschleppen, hat sie aber keinen guten Leger, kommt das Ende rasch.
Ein Team spielt dann gut, wenn mit jeder Aktion - von der ersten bis zur letzten Kugel - der nötige Druck ausgeübt wird. Jeder Spieler muss hierzu seiner spezifischen Aufgabe gerecht werden. Eine Hierarchie kann allenfalls zwischen Spielern unterschiedlicher Erfahrungsstufen bestehen, sie ist grundsätzlich nicht aus der eingenommenen Spielposition ableitbar.
Wie lassen sich nun die einzelnen Mannschaftspositionen unterscheiden?
Der Leger ("Pointeur"):
„Ich bin der erste Diener meines Staates“
Friedrich II
Der Leger findet seine Rolle, wenn er sich als erster Diener seiner Mannschaft versteht. Dagegen wird die Mannschaft seiner gerecht, wenn sie ihn nicht als „Diener“, sondern als „Ersten“ begreift. Der Leger hat eine Aufgabe, die ihm ein hohes Ethos abverlangt. Er legt das Fundament, die Punkte machen oft andere. Eines guten Legers Kugeln werden meist schnell aus dem Spiel entfernt. Kommt es so, bezeugt es seine Leistung. Der Schütze ehrt mit seinem Schuss das Spiel des Legers. Dessen Stärke erwächst aus der Solidität und Konstanz seines Handelns. Spielt er die erste Kugel, so muss er den Boden lesen, ohne die Anschauung bereits gespielter Kugeln zu haben. Wirft er das Schwein, so trägt er wichtige strategische Entscheidungen und muss hierzu alle beteiligten Spieler gut einschätzen können. Von der Güte seines Spiels ist es abhängig, ob die Mannschaft dauerhaft die Initiative erlangt.
Der Mittelspieler ("Milieu"):
„Sag Menschen nie, wie sie Dinge tun sollen. Sag ihnen was zu tun ist, und sie werden dich mit ihrem Einfallsreichtum überraschen.“
George S. Patton
Der Mittelspieler steht zwischen Schütze und Leger. Idealerweise kann er beide Positionen gut ausfüllen. Er muss eine gute Kugel legen können, wenn die besten Wege schon versperrt sind. Er muss schießen können, wenn der Schütze keine Kugeln mehr hat. Da er oft die letzten Kugeln spielt, muss er unter Druck sicher sein und somit anderen Sicherheit geben. Meist verfügt er zusätzlich über Techniken, die seinen Mitspielern nicht zu eigen sind. Da es hierzu einer großen Erfahrung bedarf, fällt ihm fast automatisch - aber nur hierdurch - die Führungsposition zu.
Man könnte ihn somit als General und Generalisten charakterisieren. Seine Funktion lässt sich weiterhin mit der Reserve (im militärischen Sinne) vergleichen. Zunächst versuchen seine Mitspieler den Kampf allein zu gewinnen. Erst wenn es nötig wird, kommt der Mittelspieler aus der Reserve und versucht die Entscheidung zu erzwingen.
Indem er das Spiel mit seiner Erfahrung liest und lenkt, entlastet er seine Mitspieler. Hierbei sollte er aber immer an den oben zitierten Rat von General Patton denken: Nicht als Diktator auftreten, sondern Empfehlungen aussprechen. Den Mitspieler ermutigen aber ihm die letzte Entscheidung belassen. Ob ein Wurf gelingen kann, muss letztlich der Spieler entscheiden, der im Kreis steht.
Spieler, die mit der Mittelposition wenig vertraut sind, spielen häufig in der Art eines zweiten Legers. Man sollte aber immer nach Möglichkeiten suchen, durch ambitioniertes Spiel, der Partie die entscheidende Wende zu geben.
Der Schütze ("Tireur"):
„Die Klugheit ist sehr geeignet, zu bewahren, was man besitzt,
doch allein die Kühnheit versteht zu erwerben.“
Friedrich II
Wenn eine gelegte Kugel ihr Ziel um einen Kugeldurchmesser verfehlt, ist sie immer noch recht gut platziert. Verpasst ein Schuss die Zielkugel auch nur um einen Millimeter, ist er oft vollkommen wertlos. Auch ein treffender Schuss kann wirkungslos bleiben oder durch Querschläger schlimme Folgen zeitigen. Der Schütze muss daher die Fähigkeit haben, mit Misserfolgen umzugehen, die sich unweigerlich einstellen werden. Er kann diese Fähigkeit aus einem stabilen Ego schöpfen, aus grundsätzlicher Gleichgültigkeit oder stoischer Einsicht in das Unvermeidliche - gleich wie er es hält, muss er sich die Zuversicht bewahren, dass der nächste Schuss trifft. Ein zweifelnder Schütze ist ein erfolgloser Schütze. Es ist natürlich immer zu fragen, ob ein Schuss die richtige Maßnahme darstellt, ist der Entschluss aber einmal gefallen, sind Zweifel das größte Gift. Darum kann es sinnvoll sein, die taktische Entscheidung einer anderen Person zu überlassen und somit die Last zu verteilen. [1]
Natürlich gibt es verschiedene Gründe zu schießen, etwa, um sich an einer gut liegenden Kugel nicht leer zu spielen. Der eigentliche Zweck des Schusses ist aber der Coup. Oft stehen nur ein oder zwei gegnerische Kugeln zwischen uns und vielen Punkten. Je weiter das Spiel bereits fortgeschritten ist, desto wertvoller kann ein Punkteregen sein. Die Mannschaft sollte daher bei Fehlschüssen nicht nervös werden, sondern das Spiel so lange offen halten, bis Treffer es entscheiden.
Ein Schütze muß tendenziell früh in Aktion treten. Wartet er zu lang, ist er oft gezwungen zu legen. So zerstört er selbst seinen Rhythmus. Durch Abwarten nimmt der Schütze dann unnötigerweise die Position des Mittelspielers ein und drängt deren eigentlichen Inhaber in die Rolle des zweiten Legers, wodurch die taktischen Möglichkeiten der Mannschaft geschmälert werden.
Die hier beschriebene Aufgabenverteilung hat sich bewährt. Auch wenn eine Mannschaft nur aus zwei Spielern besteht, ist es sinnvoll, sich an diesem Schema zu orientieren. Sowohl der Leger, als auch der Schütze haben dann noch eine zusätzliche Kugel, die sie ambitioniert und flexibel im Sinne eines echten Mittelspielers einsetzen sollten.
Thorsten
[1] Anmerkung: Eine gute innere Haltung für einen Tireur - also das, was neuerdings "Mindset" genannt wird, ist es, sich als Assistent des Legers zu verstehen. Aufgabe ist es dann, dem Leger zum Sieg zu verhelfen, sofern er denn besser ist als sein Gegenüber - der gegnerische Leger also. Es gilt zu verhindern, dass wenige "Zufallskugeln", die sich brillant positioniert haben, diese eigentliche Überlegenheit nicht zum Tragen kommen lassen. Versucht ein Schütze zu sehr, das Spiel zu gewinnen, kommt er leicht vom Kurs ab, indem er versucht ist, selbst besser zu legen als sein Mannschaftskollege oder sich geistig zu sehr mit dem Ausgang der Partie befasst. Gute Schüsse müssen aber Angstfrei geschehen und gutes Schießen ist meist das Resultat steter Wiederholung des entsprechenden Bewegungsmusters. Auf einem bestimmten Erfahrungslevel hat man als Schütze somit die größeren Erfolge, wenn es einem gelingt, von allem Unnötigen abzusehen, von der taktischen Situation, vom Spielausgang und was da noch der Dinge mehr sind, die einem den Geist zu vernebeln vermögen.
Anders als es vielleicht die Intuition suggeriert, ist es der Leger der angreift und der Schütze der verteidigt. Der Leger platziert eine Kugel und greift damit nach dem Punkt. Legt der Gegner eine bessere Kugel in den Sand, ist es der Schütze, der den Punkt wieder zurückholt, ihn also verteidigt.
Verteidigen kann man nur, was man besitzt. Deshalb assistiert der Schütze dem Leger dabei, das Spiel zu gewinnen. Werden keine guten Kugeln gelegt, gehen Spiele meist verloren. Daraus kann und soll der Tireur ausdrücklich Mut schöpfen! Erst ab einem recht hohen Spielniveau gilt diese Aussage nicht mehr uneingeschränkt. Dann nämlich sind Fehlschüsse eher schon Raritäten und es wird grundsätzlich jede Kugel angegriffen, die halbwegs gut platziert ist, dieses mit dem Hintergedanken, über Carreau, Retro oder Palet eine eigene Kugel gut zu positionieren, also, um im soeben eingeführten Sprachgebrauch zu bleiben, anzugreifen.
Wer aber soll entscheiden, ob geschossen wird, zumal, wenn der Tireur auch der erfahrenste Spieler im Team ist? Die Entscheidung auf unerfahrene Mitspieler abzuwälzen ist unrealistisch. Gut ist es daher, eine Spielkultur zu etablieren, in der auf bestimmte Kugeln grundsätzlich geschossen wird, sofern nicht Gravierendes dem entgegensteht. Solche Verabredungen entlasten einen Schützen enorm, der dann ohne Lamento und ohne lange Erklärungen, was bei einem Fehlschuss alles geschehen könnte, befreit seines Amtes zu walten vermag.
Abschließend noch ein goldener Rat: Wenn man Dich zum Tireur ernannt hat, dann sei es auch! Versuche dann nicht als Leger zu spielen. Nimm die Herausforderung an, geh einfach in den Kreis und zieh hab!
Bild: Baumgruppe auf einer Weide bei Groß Schwülper
Öffentliche Bouleplätze:
Dienstag & Freitag:
Ab 18 Uhr
Samstag:
Ab 14 Uhr
Sonntag und Feiertage:
Ab 14 Uhr
Spielmöglichkeiten bei Vereinen:
Mittwoch: Ab 19 Uhr
TuRa Braunschweig Flutlicht vorhanden
Donnerstag: Ab 17.30 Uhr
Magnibouler (freies Training) Flutlicht vorhanden
Jeder kann mitmachen. Wir sind kein Verein.
Wer Boule als ein Spiel versteht, zu dem man sich öffentlich trifft, zwanglos und leidenschaftlich, frei von finanziellen Verpflichtungen und Leistungsdruck, aus Freude gespielt, bei dem die Gemeinschaft nicht zu kurz kommen darf, der wird bei uns Gleichgesinnte treffen.
- Tipps & Tricks - Strategie & Taktik -
- Auslosungstabellen für Turniere
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
- "Stress & Konzentration" NEU
- "Wohin mit dem Blick?" Ergänzt um das "Quiet-Eye-Phänomen" und zusätzlich um eine Übung
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