Was wäre Pétanque ohne die Mitspieler? Jene lieben Gesellen, denen im Falle eines Falles die Schuld an Niederlage und Ungemach aufgebürdet werden kann und die daher eifrig bemüht sind, solches abzuwenden. Bis dahin aber, bis also "der Tag sich neigt, bis, wer Sieger ist, sich zeigt", ist der Kugelkollegen vornehmstes Amt das des Ratgebers, indem sie nicht müde werden, allerlei Hinweise auszustreuen, ohne welche zweifellos nur wenige der stählernen Bälle ihr Ziel fänden.
So erklingt etwa, kaum ist die erste Kugel satt durchgelegt, was als „Braunschweiger Eröffnung“ einen Standard in der Bouletaktik darstellt, unweigerlich der ebenso informative wie weise Ausspruch: „Die ist durch“. Unbezweifelbar richtig – keine Frage – und doch gut, dass es einmal ausgesprochen wurde. Überflüssig erscheinen solch Sentenzen nur dem Neuling, der nicht weiß, dass die überwiegende Mehrzahl der äußerst erfahrenen Akteure aufgrund ihrer überragenden Spielkunst gewohnheitsmäßig annimmt, erst sehr spät in der Aufnahme aktiv werden zu müssen, und, einstweilen ins Gespräch vertieft, für solcherlei Kommentare höchst dankbar ist.
Die zweite Murmel, sich ungewollt ihrer Schwester beigesellend, nachdem sie flott das Schweinchen passiert hatte, wird dann in schöner Tradition von einem der Kullerkumpels mit dem taktischen Hinweis gewürdigt: „Jetzt brauchen wir noch eine davor!“ „Na, mit einer davor kann ja jeder gewinnen“ ist man versucht zu sagen. Oder kecker: „Ich spiele auf Bild. Alle meine Kugelbilder übereinandergelegt, ergeben am Ende der Partie das Antlitz der Mona Lisa oder, bei entsprechender politischer Ausrichtung, die Umrisse des Deutschen Reiches in den Grenzen von Anno Domini 1378. Da die Glaubwürdigkeit dieser Aussagen mit der Häufigkeit ihres Gebrauches abzunehmen pflegt, bleibt, insbesondere nach abermaligem Fehlversuch, immer noch die ebenso ehrliche wie souveräne Feststellung: „Der Platz nimmt mein Spiel heute einfach nicht an.“
Doch kehren wir zurück zu den Gefährten, die, stets um unser und damit auch das eigene Wohl besorgt, nicht müde werden, uns in kritischen Situationen mit Rat und Tat beizustehen. Denn wo wäre guter Rat teurer als im Pétanque? So ist es geradezu nobel, wenn dem unsicheren Adepten aus erfahrenem Munde mit jener sibyllinischen Standardformel die Entscheidung erleichtert – nein abgenommen – wird, die da lautet: „Du kannst legen; du kannst schießen; oder mach, was du willst.“ – eine geradezu erschütternde Weisheit, deren tiefes Spielverständnis meist noch durch jenen klassischen Monolog bestätigt wird, der sich dem unweigerlich folgenden Scheitern der Aktion anschließt: „Hab ich mir gedacht.“ „Haltet ein“, so möchte man dazwischenfahren, „jegliche Informationen behindern die Entscheidungsfindung“, oder, wie es Thukydides so treffend formulierte: „Unwissenheit macht verwegen, Überlegung zaghaft.“
Da wir nun einmal dabei sind, so wollen wir diese Kolumne nicht ausklingen lassen, ohne jenen Helden zu danken, die nicht müde werden, noch kleinsten Nuancen Aufmerksamkeit zu schenken. Etwa denen, die, nachdem der aktive Genosse zweifach zu weit links zu platzieren sich die Blöße gab, diesen mit einem beherzten „Weiter rechts!“ aus seiner Agonie zu erwecken suchen. Oder den Unermüdlichen, die nach mehrfachem „Kurzbleiben“ ihrer Schützlinge mit einem vehementen „Mehr Dampf!“ noch alles zum Guten zu wenden versuchen. Oder gar solchen, die dem verdutzten Schützen mit einem bestimmten “Drüber“ die Erklärung für den ausgebliebenen Treffer geben, nach der er selbst gewiss vergeblich gefahndet hätte.
Wir können nicht ahnen, und mögen es uns kaum vorstellen, welchen Verlauf Partien ohne solche Hinweise nähmen. Ein Hauen und Stechen, zeter und mordio – „Räuberpétanque“ mithin. Doch zum Glück gibt es sie ja, die mitteilsamen Weisen, aus dem tiefen Brunnen ihrer Erfahrungen schöpfend, ihren Ratschluss aus übervollem Füllhorn freigiebig ausstreuend – es war wirklich einmal an der Zeit, ihnen zu danken.
Thorsten
(Alle hervorgehobenen Zitate wurden
auf unserem heimischen Bouleplatz vom Autor aufgeschnappt,
der freilich bekennen muss, nicht selten selbst die Blechpresse zu bedienen.)
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- "Versagen unter Druck" NEU
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
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