„Ich künstle so lange an meinem Stil herum, bis er natürlich wird.“
Johann Wolfgang von Goethe
Schaut man sich den Betrieb auf unseren Bouleplätzen einmal genauer an, dann ist dort erstaunlicherweise eine Vielzahl individueller - teils kurioser - Spielstile zu beobachten. Das liegt vermutlich daran, dass viele Spieler als Autodidakten zu dieser Sportart stoßen. Andererseits ist aber durch das Internet fast jeder Mensch dazu in der Lage, sich die Bewegungsmuster wirklicher Profis anzusehen und anzueignen. Wie kommt es dennoch dazu, dass so viele Spieler an ihren Marotten festhalten? Es lohnt sich, einmal genauer darüber nachzudenken:
Beginnt ein Spieler mit dem Pétanque, so stellen sich nach einiger Zeit unweigerlich gewisse Erfolge ein. Das nährt die Versuchung, diese "Erfolge" zu bewahren, indem auf dem einmal eingeschlagenen Weg fortgeschritten wird. Werden - unglücklicherweise - die Anfangserfolge mit einem unzureichenden Spielstil erreicht, so wird meist an diesem allzu lange festgehalten. Eine künftige Limitierung des Spielvermögens ist dann die Folge. Um des scheinbaren Erfolges Willen, wird dann ein bestimmtes Niveau zementiert. Die eigentliche Aufgabe der Anfängerzeit aber, experimentierend das Rechte zu entdecken, wird dabei leider verfehlt.
Besser ist es, sich zunächst einen guten und effizienten Stil anzueignen, ungeachtet der eintretenden Erfolge. Wer schöne saubere Bögen wirft, auf Eisen schießt, auf seine Handhaltung achtet, eine ausgewogene Körperhaltung einnimmt, der wird unweigerlich bald Erfolge erleben und sich lange Zeit in seinem Spiel verbessern können. Ein guter Stil ist derart wichtig, dass es sich praktisch jederzeit lohnt, zu diesem zu konvertieren [1]. Die vermeintlichen Errungenschaften der Anfangszeit zu bewahren, bedeutet häufig das Konservieren von Unzulänglichkeit.
Um ein Missverständnis zu vermeiden: Spieler mit individuell ausgeprägten Bewegungsmustern spielen häufig sehr gut. Oft haben sie ihren Stil über Jahre hinweg perfektioniert und sind zu einem Gleichklang von Persönlichkeit und Form gelangt. Dem Beobachter stellt sich jedoch die Frage, die freilich nicht leicht zu beantworten ist: Wie gut wären diese Spieler nach all den Jahren geworden, hätten sie sich anfangs einen reinen und effizienten Stil angeeignet?
Der Erfolg des Pétanquespielers liegt nur vordergründig in errungenen Siegen.
Mehr noch zeigt er sich in dessen spielerischer Entwicklung.
Man ist gut beraten, diese niemals zum Stillstand kommen zu lassen.
Thorsten
[1] Ergänzung: Der Autor möchte diesen Ratschlag im Lichte gereifter Erkenntnisse etwas abschwächen bzw. präzisieren: Ob ein Stil dauerhaft trägt, hängt von der Reproduzierbarkeit der Würfe ab. Gelingt es, erfolgreiche Würfe regelmäßig zu wiederholen, besteht wenig Anlass, die Wurfweise zu verändern. Warum sollte man den Wurf eines anderen einüben, wenn man selbst über ein geeignetes Bewegungsmuster verfügt? Es ist nur eben so, dass die schlichten, gradlinig fließenden Bewegungsabfolgen auch jene sind, die leichter wiederholt werden können. Diese lassen sich unter Druck gut spielen, sind sie doch weniger anfällig für Störungen, die der Körper, dieses komplexe System aus Sehnen und Muskeln, bei Anspannung immer wieder zu produzieren pflegt.
Wonach gilt es also zu streben? Weniger nach Erfolg denn nach Leichtigkeit. Ausnahmslos alle Würfe, vom höchsten Hochporteé bis zum entferntesten Eisenschuss, lassen sich erfolgreich mit erstaunlicher Leichtigkeit ausführen. Das Unbemühte, im körperlichen wie im geistigen Sinne, ist geradezu die Grundbedingung des Gelingens. Sich beständig selbst beim Werfen zu beobachten und zu versuchen, den Anteil des sich Mühens immer kleiner werden zu lassen, muss unweigerlich zu einem brauchbaren Wurfstil führen.
Dieser Artikel wird ergänzt durch: "Die Kunst des Weglassens".
Bild: Bruchbude in der Feldmark nahe Gifhorn
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- "Versagen unter Druck" NEU
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
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