Vor schwierigen Würfen, meist aber vor Schüssen, zelebrieren Pétanquespieler bestimmte Rituale. Einige zielen über ihren Handrücken, andere wiegen ihre Kugel hin und her, schreiten die Strecke zwischen Kreis und Ziel ab, verharren erst einen Moment hinter dem Kreis bevor sie ihn betreten oder vollführen mit Arm und Hand sonderbare Verrenkungen. Derartige Rituale sind so vielfältig, dass sie nicht annähernd vollständig aufgezählt werden können [1]. Was hat es damit auf sich?
Im Wesentlichen können drei Wirkungen von Ritualen benannt werden, durch welche der Wurf positiv beeinflusst wird: Zum einen ist das die klare Trennung von Vorbereitung und Ausführung; weiterhin wird der Geist von negativen Gedanken abgelenkt; schließlich wird durch Rituale ein Gefühl der Beherrschbarkeit der Situation erzeugt.
1. Die Trennung von Vorbereitung und Ausführung: Bei Raketenstarts wird stets ein "Countdown" abgehalten. Eine Uhr läuft rückwärts bis sie die Null erreicht, die den Startzeitpunkt markiert. Das hat den Sinn, die Phase der Vorbereitung eindeutig von der Phase der Ausführung zu scheiden. Solange die Vorbereitungsphase läuft, können alle Systeme und Parameter überprüft und notfalls der Countdown unterbrochen werden, um Änderungen vorzunehmen. Nach dem Ende des Countdown muss man den Dingen ihren Lauf lassen. Alles Planen und Vorbereiten hat dann ein Ende.
Für das Pétanque sind diese Überlegungen relevant, da viele Fehler durch die unsaubere Trennung von Vorbereitung und Ausführung entstehen. Der Artikel: "Boule - die Kunst des Weglassens", zählt viele ungewollte Bewegungen auf, die den Wurf verderben. Diese Bewegungen sind letztlich Versuche des bewussten Nachsteuerns. Sie erfolgen in einer Phase, in der es zu spät dafür ist - der Wurfphase.
Der eigentliche Wurf beginnt erst in dem Moment, da der Arm - nach dem Zurückziehen - sich wieder vorwärts bewegt. Dieses ist offensichtlich der neuralgische Punkt, da zum einen eine Bewegung in ihr genaues Gegenteil umgewandelt werden muss, zum anderen es nun unwiderruflich ernst wird. Alles, was vor diesem Punkt geschieht, ist Vorbereitung. Alles, was danach geschieht, ist Ausführung!
Es besteht die Notwendigkeit, den Prozess des Denkens irgendwann zu einem Abschluss zu bringen. Die vielzitierte Regel: "Im Kreis nie denken!" ist jeden ihrer Buchstaben in Gold wert [2]. Ein Ritual fungiert dann ähnlich einem Schalter. Es schaltet das bewusste Denken ab und überlässt die Bewegungskoordination dem Unterbewusstsein.
2. Befreiung von negativem Denken: Neben dem eingangs beschriebenen Zusammenhang haben Rituale noch einen weiteren Effekt: Indem sie den Geist beschäftigen, ist dieser davon abgehalten, Negatives zu denken, sich zu sorgen oder zu hadern. Nichts fällt dem Geist schwerer als Tatenlosigkeit. Es ist besser, man beschäftigt ihn mit etwas Banalem, als ihm Gelegenheit zu geben, ins Grübeln zu verfallen. Dieser Gedanke wird in dem Artikel: "Was denken, beim Wurf?" ausführlicher behandelt.
3. Die Situation als beherrschbar ansehen: Die Auswertung wissenschaftlicher Studien deutet auf einen weiteren Effekt von Ritualen hin. Demnach erzeugen sie das Gefühl, die Dinge noch im Griff zu haben, also der Willkür des Schicksals nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Diesen Glauben muss sich ein Spieler in der Tat so lange als irgend möglich bewahren. Es ist besser, etwas zu tun, von dessen positiver Wirkung man überzeugt ist, als in Krisen einfach untätig wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange zu starren.
Einen Schuss wirklich gut auszuführen, braucht es Entschlossenheit. Das bedeutet, in der Gewissheit, alles Bedenkenswerte bedacht zu haben, das Denken nun ruhen zu lassen, den Arm nach hinten zu nehmen und die Bewegung seelenruhig und flüssig auszuführen, ohne "von des Gedankens zweifelnder Blässe angekränkelt zu sein". [3]
Siehe hierzu: https://www.spektrum.de/news/rituale-staerken-die-selbstkontrolle/1578616
Rituale sind mentale Eselsbrücken, die dem Bewusstsein vermitteln sollen, dass es auf die Zuschauertribüne zu verschwinden hat, da das Unterbewusstsein jetzt das Ruder übernimmt; sie sind mentales Reinigungswerkzeug, mit dem der Unrat überflüssigen Denkens ausgekehrt wird; sie sind mentale Beruhigungsmittel, die uns die Zuversicht erhalten, der Aufgabe gewachsen zu sein.
Thorsten
[1] Einige weitere Rituale:
- Es werden Löcher im Boden geglättet, die nicht ernstlich angespielt werden sollen.
- Es wird zwischen Kugel und Hand gehaucht, was zwar den Grip erhöht, zudem aber eine Art "Startschuss" ist.
- Die Kugeln werden auf bestimmte Weise neben den Kreis gelegt, wodurch sie irgendwie schon am Spiel teilnehmen und den Spieler mental bestärken.
- Der Lappen kommt grundsätzlich zum Einsatz, obgleich die Kugel blitzblank ist.
- Es wird, kurz bevor der Kreis betreten wird, innegehalten und sich gesammelt.
- ??? (Wer kennt weitere Rituale und steuert sie hier bei?)
[2] Wenn die Ausführungsphase beginnt, sollte man die auszuführende Bewegung vollkommen verinnerlicht haben. Sie sollte als geistiges Abbild bereits vollständig präsent sein.
Je mehr der Mensch plant, desto weiter entfernt er sich von seinem instinktiven Verhalten; desto weniger ist das Unterbewusstsein an der Ausführung des Wurfes beteiligt. Dieses ist jedoch einzig dazu in der Lage, Bewegungen präzise zu koordinieren.
Die menschlichen Vorfahren haben sicher schon über eine ausgezeichnete Bewegungskoordination verfügt, bevor ihre Nachkommen die Kunst des höheren Denkens erlernten. Die Bewegungskoordination ist älter als der menschliche Geist und beide können sich in die Quere kommen. Das zeigt sich immer wieder, wenn man sich bei der Ausführung eines Wurfes noch mit zu vielen Gedanken beschäftigt und dieser dann spektakulär misslingt.
Ein ritualisiertes Ende des bewussten Denkens, eine Art Barriere, die dem Unterbewusstsein Raum gibt, sich frei zu entfalten, kommt daher dem Wurfergebnis zugute.
[3] Shakespeare , Hamlet
Ergänzung: Wie umfangreich die ritualisierte Vorbereitung eines Schusses sein kann, zeigt folgendes Beispiel: https://franzbroeckl.jimdo.com/techniken/tireur-techniken/tireur-rituale/
Bilder von SpaceX-Imagery auf Pixabay
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- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
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