Ein Sprichwort besagt, auf hoher See und vor Gericht seien wir in Gottes Hand. Langjährige Boulespieler werden diese Aufzählung um einen weiteren Punkt ergänzen wollen: die Boulodrome. Trotz der einmal gewonnenen Einsicht in die Malaise, dass Kugeln zufällig dort landen können, wohin sie niemand bestimmt hat, bleibt dennoch die grundsätzliche Frage: Wohin damit? Zumindest stellt sie sich all jenen, die nicht einfach in eine bestimmte Richtung werfen und dann warten, was geschieht; die somit, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben, dieses auch nicht verfehlen können. Mag deren Spiel eben darum so enervierend gelassen und sogar manchmal erfolgreich sein, soll nun für alle, die es anders halten, folgender Frage nachgegangen werden: "Wohin mit der ersten Kugel?"
Obgleich hierfür gut begründete Stegreifregeln existieren, lautet doch die Antwort auf die Frage in vielen Fällen: "Es kommt darauf an."
Betrachten wir also, worauf es ankommt:
Es kommt auf den eigenen Schützen an:
Gemeinhin wird eine Kugel, die sich 30 - 50 cm vor dem Cochonnet befindet, als perfekter Auftakt angesehen, blockiert sie doch den Weg zum Ziel ("Devantkugel"). Versucht der Gegner diese zu passieren, wird sie dabei leicht angespielt und so verbessert. Weiterhin schwebt mit ihr - wie das Schwert des Damokles - über des Gegners Haupt die Drohung, sie könne absichtlich - also von des jeweiligen Opponenten eigener Hand - verbessert werden, aus welchem Ereignis nicht selten zwei Punkte dort entstehen, wo zuvor noch keiner war. Das alles sind unbezweifelbare Vorteile.
Jeder Boulespieler hat jedoch schon leidvoll erfahren, dass es eben doch gelingt, eine solche Kugel zu umspielen und seitlich passierend den Punkt zu markieren. Ein treffsicherer Schütze wird diese Situation schnell bereinigen, wodurch das Problem der "Devantkugel" für den Gegner wieder auflebt. Unsichere Tireure geraten dann jedoch leicht unter Druck, denn: "Es kommen ja noch so viele". Durch Fehlschüsse kann sich der Stellungsvorteil dann schnell in einen Nachteil verwandeln. Die Lücke von 30 - 50 cm lässt guten Legern immer die Möglichkeit, die Initiative an sich zu reißen. In solchem Falle bleibt wenig anderes, als Punkt und Erfolg sehr eng am Schwein zu suchen und so den opponierenden Tireur herauszufordern. Freilich werden dabei immer wieder Kugeln über ihr Ziel hinausschießen und im Rückraum eine schwache Position einnehmen, die sich durch Anspielen noch verschlechtert ("Durch").
Zwischenfazit: Eine Devantkugel von 30 - 50 cm Abstand zum Cochonnet ist zweifellos potenziell wertvoll. Nutzen daraus zu ziehen gelingt freilich nur Mannschaften mit dem nötigen Potenzial.
Mit einer Devantkugel hält man sich bedeckt und kann abwarten was geschieht, um "Honig aus der guten Stellung zu saugen". Eine "zwingende Kugel" sucht hingegen die Entscheidung sofort. Wird sie nicht beseitigt, so zieht sie dem Gegner alle Kugeln aus der Tasche.
Es kommt auf den Erhalt der Initiative an:
Genaugenommen werden in einer Aufnahme mindestens zwei erste Kugeln gespielt, denn nach der tatsächlichen Startkugel spielt immer auch der Gegner "seine Erste". Entschließt sich das reagierende Team zum Legen, sollte das prinzipiell in einer Weise geschehen, die dem eigenen Schützen die Möglichkeit belässt, aktiv zu werden, so dabei nicht ohnehin der Punkt markiert wird. Oft unterbleibt ein Angriff zunächst nur, um den Weg zum Schweinchen zu blockieren. "Durchlegen" ist dann wenig hilfreich und hat zur Konsequenz, dass schließlich auch der Schütze zum Legen gezwungen wird. Ebenfalls sollte nicht die Nähe zur bereits liegenden Kugel gesucht werden, solange man sich nicht wirklich in der Defensive befindet, denn das Bemühen um die Vermeidung von Kontern ist eine unnötige Last auf des Schützen ohnehin schon beladener Schulter.
Zwischenfazit: Die Stegreifregel: "Immer auf die Eins!" ist nicht in Stein gemeißelt und kommt einem Misstrauensvotum an den eigenen Tireur gleich. Neben der "Eins" kommen als Ziele - je nach Lage der Dinge - auch das Cochonnet, eine Devantposition oder eine beliebige andere Position in Betracht, die mit Aussicht auf Erfolg verteidigt werden kann. Ein reagierender Leger muss nicht zwingend punkten, wenn er sich stattdessen gut positioniert. Im Zusammenspiel mit dem Schützen kann die Initiative effektiv zurückgewonnen werden. Den Weg blockieren und den Konterbereich meiden, damit liegt man nicht so falsch.
Es kommt auf den gegnerischen Schützen an:
Des Legers unmittelbarer Gegenspieler ist der Schütze. Bei der Frage, wohin denn Kugel Nr. 1 gehöre, sind dessen Fähigkeiten von Belang. Gilt es, den gegnerischen Tireur in seinem Tun zu behindern, wird das im letzten Abschnitt Verworfene nun erstrebt: Es wird die Nähe der bereits liegenden Kugel gesucht ("Immer auf die Eins!"). Ist das nicht möglich, kann so gelegt werden, dass ein Schuss nicht zwingend erforderlich wird (Bastard). Der Zweifel soll den Schützen hemmen, denn ein aufgeschobener Schuss unterbleibt oft gänzlich, wenn die eingetretene Lage ihn nicht mehr erlaubt. Ein Schuss, dem es an innerer Überzeugung mangelt, geht zudem häufig fehl. Sehr gut positionierte Kugeln ("Zwingende") legt hingegen, wer einen Schützen zum frühen "Munitionsverbrauch" drängen will, denn nach der "Entwaffnung" des Tireurs genießen "Kugeln in guter Lage" größeren Bestandsschutz.
Zwischenfazit: Im Kampf mit des Gegners Tireur geht es um die Wahl, einen Meister seines Faches entweder nicht recht zum Zuge kommen zu lassen oder ihn - ähnlich dem Figurenabtauschen beim Schach - früh aus dem Spiel zu nehmen. Weniger begnadete Schützen, insbesondere solche, die ohnehin lieber das Legen vorzögen, werden mit "zwingend" platzierten Kugeln aus ihrer Komfortzone geholt.
Wer Stegreifregeln befolgt oder einen der benannten günstigen Punkte zufällig anspielt, hat nichts falsch, aber sicher auch nicht alles richtig gemacht. Schlichter Weisheiten, die uns als geflügelte Worte immerfort umschwirren, dürfen wir nicht Untertan werden - die genaue Analyse ersetzen sie nicht. Das Zusammenspiel der Mannschaft fördern, den Gegner an seiner empfindlichen Stelle treffen, sein Kraftzentrum aushebeln, das sind die Ziele, die schon mit der ersten Kugel aufs Korn genommen werden. Die kluge Wahl der passenden Mittel ermöglicht es, die Weichen gleich richtig zu stellen.
Thorsten
Ergänzung: Der Gedanke, eine Spielanlage zu wählen, die nicht nur den unmittelbaren Erfolg, sondern auch den Einsatz der Mitspieler berücksichtigt, wird auch in "Die günstige Entfernung" entwickelt. Die Frage nach der - in diesem Sinne - richtigen Spielentfernung, die ja ebenfalls für die "Erste" von entscheidender Bedeutung ist, wird dort behandelt.
Öffentliche Bouleplätze:
Dienstag & Freitag:
Ab 18 Uhr
Samstag:
Ab 14 Uhr
Sonntag und Feiertage:
Ab 14 Uhr
Spielmöglichkeiten bei Vereinen:
Mittwoch: Ab 19 Uhr
TuRa Braunschweig Flutlicht vorhanden
Donnerstag: Ab 17.30 Uhr
Magnibouler (freies Training) Flutlicht vorhanden
Jeder kann mitmachen. Wir sind kein Verein.
Wer Boule als ein Spiel versteht, zu dem man sich öffentlich trifft, zwanglos und leidenschaftlich, frei von finanziellen Verpflichtungen und Leistungsdruck, aus Freude gespielt, bei dem die Gemeinschaft nicht zu kurz kommen darf, der wird bei uns Gleichgesinnte treffen.
- Tipps & Tricks - Strategie & Taktik -
- "Versagen unter Druck" NEU
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
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