"Einen Fehler begehen und ihn nicht wieder gutmachen,
das erst heißt wahrhaft fehlen.”
Konfuzius
Eine der beliebtesten „Bouleweisheiten“ ist jene, wonach ein Schuß sich verbiete, sobald die letzte Kugel bewegt werden soll. „Mit der Letzten schießt man nicht!!!“ Kaum eine Woche vergeht, in der ein Boulespieler diese Regel nicht irgendwie zu hören bekommt. Jeder kennt sie, viele glauben an sie. Was genau hat es damit auf sich?
Offensichtlich liegt dieser Auffassung die unbehagliche Erkenntnis zugrunde, dass die finale Kugel die unwiderruflich letzte Möglichkeit darstellt, die aktuelle Aufnahme zu beeinflussen. Da möchte niemand irreparable Fehler begehen. Zudem wird dem Schuss - auch aufgrund seiner Impulsenergie - ein besonders hohes Schadenspotenzial zugetraut. Tatsächlich kann, besonders bei eng liegenden Bildern [1], nach einer Kettenreaktion die Welt sehr „fremd“ aussehen. Hinzu kommt, dass ein wirklich präziser Schuss, also einer, der die Kugel nicht nur irgendwo, sondern an einer ganz bestimmten Stelle trifft und es somit ermöglicht, die Bahnen der in Bewegung versetzten Massen halbwegs vorherzusehen, nicht eben zu den leichtesten Aufgaben gehört und sicher von einer Mehrzahl der Spieler nicht beherrscht wird.
Es gibt also gute Gründe, vor einem solchen - ultimativen - Schuss zurückzuschrecken. Sind diese Gründe aber auch stark genug, besagte Regel zu einem Dogma zu erheben?
Sammeln wir Gegenargumente:
Ein wesentlicher Teil des individuellen Spielvermögens besteht in der Fähigkeit, das Spiel zu lesen. Wer das regelmäßig tut, wird nach einiger Zeit in der Lage sein, Situationen dahingehend zu beurteilen, ob ein Schuss eine Gefahr darstellt oder gefahrlos ausgeführt werden kann. Die Prophetie, was geschehen könnte, muss man sich durch ständiges Beobachten der Spielabläufe erwerben und ihre Güte schärfen. Dann darf man sich auch einen „Schuss ohne Sicherheitsleine“ zutrauen.
Es gibt Situationen, in denen das Legen mit der letzten Kugel den weitaus größeren Schaden anrichten kann. Wer hat nicht einmal durch ein finales Sauziehen eine üppige Ansammlung von Punkten unrettbar ruiniert? Droht eine solche Gefahr, ist es weise, mit der "Letzten" nicht zu legen!
Zumindest seiner Natur nach, ist der Schuss das präzisere Instrument. Beim Legen liegt die Unsicherheit immer auch in der Beschaffenheit des Bodens, beim Schießen liegt sie nur in uns selbst.
Wichtig ist die Frage, ob man mit der Situation, die vor dem Spielen der letzten Kugel vorherrscht, zufrieden ist oder nicht. Mit dem Grad der Unzufriedenheit wird sicher die Neigung zu robustem Vorgehen zunehmen.
Beim Pétanque geht es letztlich darum, keine Kugel zu verschenken. Je besser der Gegner spielt, desto weniger kann man es sich leisten, eine prinzipiell notwendige Handlung zu unterlassen, nur weil die Folgen nicht mehr korrigierbar sind. Hochklassige Gegner zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Korrektur eines Fehlers praktisch nicht mehr zulassen. Punkte nicht zu erzielen, obwohl es theoretisch möglich ist, kann sich als ebenso fatal erweisen wie das ruinieren einer guten Aufnahme auf der Zielgeraden [2].
Gäbe es eine Regel, die den Spielern abverlangte, die letzte Kugel besonders zu wägen, ihr besondere Aufmerksamkeit zu widmen, man müsste ihr uneingeschränkt zustimmen. Allerdings implizierte das einen zeitweisen Kugelgebrauch, dessen Folgen weniger sorgfältig bedacht werden, weil sich noch weitere „Pfeile“ im Köcher befinden. Besser ist der Spieler beraten, der jeder Kugel die selbe intensive Aufmerksamkeit widmet und jede Aktion mit der selben Sorgfalt durchführt [3].
„Spiele deine letzte Kugel so sorgfältig wie deine erste und deine zweite. “
So oder so ähnlich könnte die abgewandelte Regel lauten, die es aufgrund mangelnder Prägnanz sicher zu keinerlei Berühmtheit bringen wird.
Stellt sich im Spiel das Empfinden ein, mit der letzten Kugel eine Aktion lieber unterlassen zu wollen, so kann das weise sein und ein unkalkulierbares Risiko vermeiden. Man kommt dann zu der Einsicht: In dieser Situation schieße ich mit der Letzten nicht, denn "das Können ist des Dürfens Maß"[4]. Man ziehe aber daraus den Schluss, sich fürderhin derart zu ertüchtigen, dass besagte Situation nächstens besser gemeistert werde und stricke aus einer Unzulänglichkeit nicht auch noch ein unsinniges Dogma!
"Furcht ist der Gegner, der einzige Gegner."
Sunzi
Thorsten
[1] Siehe hierzu: Gefährliche Ballungen
[2] Siehe hierzu: Angst, Risiko, Chance - Abschnitt: Risiko
[3] Siehe hierzu: Intensität
[4] Reinhold Meßner
Bild: Plastik in Breslau
Öffentliche Bouleplätze:
Dienstag & Freitag:
Ab 18 Uhr
Samstag:
Ab 14 Uhr
Sonntag und Feiertage:
Ab 14 Uhr
Spielmöglichkeiten bei Vereinen:
Mittwoch: Ab 19 Uhr
TuRa Braunschweig Flutlicht vorhanden
Donnerstag: Ab 17.30 Uhr
Magnibouler (freies Training) Flutlicht vorhanden
Jeder kann mitmachen. Wir sind kein Verein.
Wer Boule als ein Spiel versteht, zu dem man sich öffentlich trifft, zwanglos und leidenschaftlich, frei von finanziellen Verpflichtungen und Leistungsdruck, aus Freude gespielt, bei dem die Gemeinschaft nicht zu kurz kommen darf, der wird bei uns Gleichgesinnte treffen.
- Tipps & Tricks - Strategie & Taktik -
- "Versagen unter Druck" NEU
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
Boule, Geschichten und mehr...
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