- Die getuschten Kugeln -
"Alles fließt."
Heraklit
Auf dem Bouleplatz bemühen wir uns manchmal zu sehr. Wir wollen alles zu genau machen und verlieren das Gefühl für gute Bewegungen. An anderen Tagen nehmen wir die Dinge zu leicht. Unser Spiel wirkt dann fahrig und "ausgeleiert". Es fehlt die Fokussierung. Meist finden wir dann schnell wieder in die Spur. Das gelingt desto besser, je mehr Erfahrung wir schon mit dem rechten Maß für Aufmerksamkeit und Genauigkeit gesammelt haben. Wie aber soll jemand, bei dem das noch nicht der Fall ist, erahnen, worauf es ankommt? Hinter der Ebene der technischen Ausführung liegt das Feld der mentalen Herangehensweise, das mindestens ebenso bedeutend ist. Versuchen wir, es anhand von Beispielen besser zu erschließen:
Bilder können mit den unterschiedlichsten Werkzeugen erschaffen werden. Ob mit Bleistift oder Pinsel, ob mit Kohle oder gar, wie im Falle Jackson Pollocks, indem Farbe aus einer Dose tropft.
Mit einem Bleistift kann man Bilder regelrecht konstruieren. Feinste Details werden exakt herausgearbeitet, denn der Stift kann immer wieder millimetergenau neu angesetzt, die Hand dabei abgestützt werden. Anders ist es beim Erschaffen von Aquarellen. Hier zwingen Pinsel und sehr flüssige Farbe dazu, ebenfalls flüssiger zu arbeiten. Verharrt das Werkzeug länger an einem Fleck, ändert sich schon der Farbeindruck.
Im Vergleich hat Pétanque mehr mit dem Malen von Aquarellen gemein, denn mit dem Zeichnen. Es ist nämlich unbedingt erforderlich, die Bewegung harmonisch und in einem Schwung auszuführen, und sie nicht, wie es beim technischen Zeichnen geschieht, aus einzelnen Elementen zu stückeln.
Ein eindrucksvoller Film verdeutlicht dies. Er zeigt den Künstler K.O. Götz bei der Arbeit: Webvideo: K.O. Götz (dort: „Atelierbesuch Prof. K.O. Götz“, 1966)
Das Bild entsteht hier aus einem einzigen Schwung heraus - eine Technik, die sein Markenzeichen wurde. Der Künstler hat sich diese Bewegung vorher gedanklich genau vorgestellt und setzt sie nun harmonisch in die Tat um. Sie ist also nicht improvisiert, wie man vermuten könnte. Sehr ähnlich hat es beim Pétanque zu geschehen. Aus einer geistigen Vorwegnahme wird Handlung. Aus der Vorstellung wird ein Wurf, eine Bewegung, die ein einziger Schwung ist. Kein Stocken oder nachträgliches Korrigieren findet statt und dennoch - oder genau deshalb - ist sie äußerst präzise. So gebietet der Geist der Materie.
Dagegen zeigt dieser Film: Webvideo: Jackson Pollok eine Sequenz mit Jackson Pollock, der zwar ebenfalls sehr flüssig und rund agiert, sein Handeln aber wohl vorher nicht exakt plante, sondern es vielmehr aus der Improvisation schöpfte.
Man mag nun zu Unrecht einwenden, die resultierenden Bilder seien reine Zufallsprodukte. Daher benötigen wir ein Beispiel, bei dem das Endprodukt stark standardisiert ist. Wir finden es in der Kalligraphie japanischer und chinesischer Schriftzeichen.
Mit einem relativ großen Pinsel werden die komplizierten Zeichen auf das Papier getuscht. Dabei sind die Winkel und Strichstärken der Schriftzeichen genau vorgegeben. Sie müssen hohen Ansprüchen genügen und es gibt nur eine Möglichkeit, diese zu erfüllen: Die komplexen Striche müssen in einer einzigen harmonischen Bewegung auf das Papier gebracht werden. Der Kalligraph muss ein genaues inneres Abbild der Figur und der zugehörigen Bewegung verinnerlicht haben. Hierdurch gelingt es ihm, die Zeichen immer wieder exakt zu reproduzieren. Zusätzlich braucht er die innere Ruhe, die Handlung harmonisch auszuführen. Jedes Zögern, jede Unentschlossenheit ruiniert das Schriftbild.
Wir haben in vorangegangenen Artikeln immer wieder Anleihen beim Denken der Samurai genommen. Es ist kein Zufall, dass sich diese Krieger auch mit Kalligraphie befasst haben - ja, dass es von ihnen erwartet wurde. Die souveräne Beherrschung von Bewegungsabläufen, deren entschlossene Umsetzung, das Gefühl für Rhythmus und Tempo, sind sowohl in der Schwertkunst als auch in der Kalligraphie unerlässlich.[1]
Wenn wir also den Unterschied zwischen dem Zeichnen mit dem Stift und dem Tuschen mit dem Pinsel erfasst haben, verstehen wir auch, in welcher Weise wir die Bewegungen beim Pétanque vorbereiten und anlegen müssen. Wir dürfen nicht improvisieren, wie es wohl Jackson Pollok mit seiner Maltechnik getan hat, denn dann können wir Erfolge nicht genau reproduzieren. Wir dürfen auch nicht kleinteilig nach Genauigkeit streben, wie es beim Zeichnen geschieht, denn dann verlieren wir die Bewegungsharmonie.
Wenn die Bewegung beginnt, wird sie stoisch bis zu ihrem wirklichen Ende durchgeführt.
Ein souveräner Schwung, von hinten nach vorn und von unten nach oben, nicht hinterfragt und dennoch genau. Wie ein Kalligraph, äußerlich unbewegt, innerlich versammelt, "tuschen" wir die Kugeln auf den Platz, immer und immer wieder.
Webvideo: Chinesische Kalligraphie
Thorsten
[1] "Beim Schreiben mit dem Pinsel ist es wichtig, richtig und sorgfältig zu schreiben, aber das allein führt nur dazu, dass die Schriftzeichen steif und unrein aussehen. Es gibt darüber hinaus eine Art zu schreiben, die nicht Normen und Regeln verhaftet bleibt. Für viele andere Dinge auch gilt das gleiche Prinzip." HAGAKURE - Reclam Verlag (2009), gebundene Ausgabe, Seite 142
Siehe auch: „Weg des Schreibens" (Shodō (japanisch 書道)
"Eine Kalligrafie muss zudem in einem Durchgang fertiggestellt werden, denn spätere Erweiterungen, Änderungen oder Verbesserungen sind unerwünscht. Dies grenzt den Vorgang des Schaffens zeitlich sehr stark ein. Andererseits ermöglicht es dem Betrachter, den Prozess der Entstehung und Ausarbeitung einer Kalligrafie im Nachhinein nachzuvollziehen und somit durch die Interpretation des Künstlers dessen Persönlichkeit im Werk wiederzufinden. "
Beide hervorgehobene Aspekte - eine flüssige Bewegung, die dennoch beherrscht und präzise erfolgt, und das Nachvollziehen dieser Bewegung (geistig, für sich selbst, aber auch visuell beim Beobachten der Mitspieler) sind im Pétanque von großer Bedeutung)
Bild: Der vereiste Tankumsee
Öffentliche Bouleplätze:
Dienstag & Freitag:
Ab 18 Uhr
Samstag:
Ab 14 Uhr
Sonntag und Feiertage:
Ab 14 Uhr
Spielmöglichkeiten bei Vereinen:
Mittwoch: Ab 19 Uhr
TuRa Braunschweig Flutlicht vorhanden
Donnerstag: Ab 17.30 Uhr
Magnibouler (freies Training) Flutlicht vorhanden
Jeder kann mitmachen. Wir sind kein Verein.
Wer Boule als ein Spiel versteht, zu dem man sich öffentlich trifft, zwanglos und leidenschaftlich, frei von finanziellen Verpflichtungen und Leistungsdruck, aus Freude gespielt, bei dem die Gemeinschaft nicht zu kurz kommen darf, der wird bei uns Gleichgesinnte treffen.
- Tipps & Tricks - Strategie & Taktik -
- "Versagen unter Druck" NEU
- Der Artikel "Visualisieren im Pètanque" (ehemals "Der Mythos vom Zielen") wurde überarbeitet und bekam einen anderen Platz in der Gliederung. Insbesondere wurde darauf abgezielt, dass das Thema "Visualisierung", das inhärent bereits das Grundthema des Aufsatzes gewesen war, nun auch mit diesem Begriff angesprochen wird. Der Text wurde überarbeitet und es wurde auf Beziehungen zu später entstandenen Artikeln hingewiesen.
Boule, Geschichten und mehr...
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